LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/7151 |
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28.10.2014 |
Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Der Landtag Nordrhein-Westfalen verurteilt den millionenfachen Grundrechtsbruch durch „Eikonal"!
I. Sachverhalt
Geheime Unterlagen, die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen, belegen einen millionenfachen Grundrechtsbruch des Bundesnachrichtendienstes BND in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Nachrichtendienst NSA. Unter dem Codenamen "Eikonal" hat der Bundesnachrichtendienst in den Jahren 2004 bis 2008 in dieser Kooperation Telefonate und Daten von Bundesbürgern aus dem größten deutschen Internetknoten DE-CIX an die NSA weitergeleitet, obgleich die systematische Ausspähung von Deutschen im Inland durch den BND unzulässig ist.
Ein zwischengeschaltetes Programm mit dem Namen "Dafis" sollte Daten deutscher Bürger herausfiltern. Die Unterlagen belegen, dass dieses Programm jedoch niemals richtig funktioniert hat - in der Bilanz des Programmes wird konstatiert, dass eine fehlerfreie Trennung zwischen deutscher und ausländischer Telekommunikation nicht möglich gewesen sei. In Tests zu Beginn des Programms war die Rede von fünf Prozent der Daten deutscher Staatsbürger, die nicht herausgefiltert wurden - für den größten und zentralen Internetknoten der Welt in Deutschland bedeutet das, dass millionenfach Daten rechtswidrig weitergegeben worden sind. Gleichwohl wurde das Programm fünf Jahre lang betrieben. Überwachte Bürger wurden nicht informiert.
Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins Wolfgang Ewer hat auf dem 65. Deutschen Anwaltstag darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen Vorgängen um eine Grundrechtsverletzung durch deutsche Behörden handeln könne. Unter Umständen könnten betroffene Bürger Verfassungsbeschwerde erheben.[1]
Die Unterlagen legen zudem nahe, dass die parlamentarischen Kontrollgremien des Bundestages nicht ausreichend informiert wurden. Die Weitergabe der Daten an die NSA durch den BND war offenbar gar nicht bekannt. Eine Irreführung der Kontrollgremien des Bundestages wäre ein handfester Skandal.
Dem BND fiel im Laufe der Kooperation auf, dass die NSA auch nach Begriffen wie "EADS", "Eurocopter" oder nach französischen Behörden gesucht hatte.[2] Es liegt also der Verdacht auf der Hand, dass diese Kooperation auch für Wirtschaftsspionage genutzt worden ist, und keineswegs nur der Terrorabwehr gedient hat. Die Airbus Group firmierte von 2000 bis 2013 unter dem Namen EADS (European Aeronautic Defence and Space Company). Sie ist Europas größter Luft- und Raumfahrt- sowie (nach BAE Systems) zweitgrößter Rüstungskonzern mit Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet, darunter (u.a. Verteidigungselektronik und Sicherheitstechnik) in Bonn.
Zur Kooperation verpflichtet wurde ebenfalls die Deutsche Telekom AG, deren Sitz in Bonn, Nordrhein-Westfalen, liegt. Sie stellte die Technik für die Verbindung zwischen der Ausspähstelle und den bearbeitenden BND- und NSA-Quartieren zur Verfügung, und musste auf diese Weise am Grundrechtsbruch mitwirken.[3]
Die Operation war vom damaligen Kanzleramtsminister und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) genehmigt worden. Sein Nachfolger im Amt Thomas de Maizière (CDU) ließ die Operation weiterlaufen. Selbst im BND habe es Bedenken wegen der Rechtmäßigkeit gegeben, heißt es in den Unterlagen.[4] Die Kooperation ist ein Beispiel dafür, wie Geheimdienste unterschiedlicher Nationen zusammenarbeiten, um die Bürger der jeweils anderen Staaten auszuspähen. So sollen die jeweils nationalen Beschränkungen ausgehebelt werden, nach denen inländische Bürger nicht überwacht werden dürfen. Der Bundesnachrichtendienst war in die internationale Kooperation involviert.
Der Internetknoten DE-CIX wird von der DE-CIX Management GmbH in Köln, Nordrhein-Westfalen, betrieben.
II. Der Landtag stellt fest:
1. Eine massenhafte Weitergabe von Daten von Bürgern aus NRW und Deutschland durch den BND an die NSA stellt eine massive Grundrechtsverletzung dar.
2. Wirtschaftsspionage gegen Unternehmen NRWs, Deutschlands und Europas durch ausländische und damit auch westliche Geheimdienste, zumal unter Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes, kann nicht akzeptiert werden.
3. Der Missbrauch von Technik Nordrhein-Westfälischer Unternehmen sowie das Erzwingen von Kooperation mit Nordrhein-Westfälischen Unternehmen mit dem Ziel der Spionage sind abzulehnen.
4. Vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Verfehlungen von Bundesbehörden gegenüber Bürgern und Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen, die sich aus den aufgedeckten Unterlagen ergeben, sieht sich der Landtag Nordrhein-Westfalen als rechtstaatliches Organ in der Pflicht, in aller Deutlichkeit die Grundrechtsverletzungen zu verurteilen und Aufklärung zu fordern.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung dazu auf,
1. sich auf allen politischen Ebenen für eine lückenlose Aufklärung der Vorkommnisse einzusetzen;
2. auf juristische und politische Konsequenzen dieser Affäre zu drängen, die der Verantwortung der handelnden Personen und der Bedeutung des Grundrechtsverstoßes gerecht werden;
3. Nordrhein-Westfälische Unternehmen effektiv vor der Erzwingung von Kooperationen durch Sicherheitsbehörden des Landes zu schützen, durch die Grundrechtsverstöße begangen werden können;
4. dem Landtag Nordrhein-Westfalen bis zum 1. Juni 2015 ausführlich Bericht zu erstatten, welche Erkenntnisse sie im Rahmen seiner Bemühungen zur Aufklärung gewonnen hat und welche Konsequenzen sie anstrebt.
Dr. Joachim Paul
Marc Olejak
Daniel Schwerd
und Fraktion