LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/6677 |
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02.09.2014 |
Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Finanzierung für Frauenhäuser nachhaltig sichern
I. Sachverhalt
Es ist Aufgabe des Staates und der Gesellschaft, Schutz und Hilfe für von Gewalt Betroffene zu gewährleisten. Das Land NRW übernimmt einen Teil der Personal- und Sachkosten für Frauenhäuser. Ein eigenes Gesetz, das Opfern von Gewalt Schutz und Unterstützung in Frauenhäusern nachhaltig zusichern würde, ist jedoch weder auf Bundes- noch auf Landesebene vereinbart worden.
Dies führt zu prekären Finanzierungsregelungen, bei denen Opfer von häuslicher Gewalt von den Kommunen zur Kasse gebeten werden. Bei der Finanzierung über die sogenannte „Einzelfallbezogene Tagespauschale“ müssen Betroffene ihre gesamten Einkommensverhältnisse offen legen und stehen einem erheblichen bürokratischen Aufwand gegenüber, welcher an sich schon abschreckend auf Hilfesuchende wirkt. Die oberste Zielsetzung der Frauenhäuser, Gewaltopfern unmittelbar eine niedrigschwellige Zufluchtsmöglichkeit zu bieten, wird damit ins Gegenteil verkehrt.
Der
überwiegende Teil der Hilfesuchenden ist nach dem SGB II leistungsberechtigt. Dieses
Gesetz deutet Gewaltbetroffenheit in ein Eingliederungsproblem des
Arbeitsmarktes um
(§ 14 SGB II). Dabei wird die teils schwierige und zeitkritische Lage einer
hilfesuchenden Person ausgeblendet. Zu einem finanziellen Problem wird
häusliche Gewalt insbesondere für Frauen mit eigenem Einkommen. Bei Zahlung der
„einzelfallbezogenen Tagespauschalen“ kann ein Monat in einem Frauenhaus schon
mal die gesamten Ersparnisse aufzehren, welche jedoch dringend benötigt werden
würden, um im Anschluss an den Aufenthalt im Frauenhaus eine eigene, neue
Wohnung zu beziehen. Ein Tagessatz kostet 65 Euro Tag, also schlimmstenfalls
2015 Euro im Monat.
Die Finanzierungshürden erschweren Frauen den Weg in die Unabhängigkeit. Dazu gehören insbesondere auch Betroffene von häuslicher Gewalt mit Migrationshintergrund, welche einen großen Anteil an den Bewohnerinnen der Frauenhäuser ausmachen. Die Möglichkeiten von Migrantinnen hängen stark von ihrem Aufenthaltsstatus ab. Auch Schülerinnen, Studentinnen und Auszubildende haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Oftmals fehlen auch spezielle Hilfe- und Unterstützungsangebote für Menschen mit psychiatrisch relevanten Belastungen.
Laut dem Bericht zur Situation der Frauenhäuser der Bundesregierung aus dem Jahr 2012 wurden bereits im Jahr 2010 allein in Nordrhein-Westfalen 1614 Frauen wegen Platzmangel weiterverwiesen (Bundestagsdrucksache 17/10500). Die Untersuchung bezieht sich hierbei ausschließlich auf weibliche Hilfesuchende. Die Frage nach besonderen Angeboten für männliche Opfer häuslicher Gewalt bleibt in diesem Bericht ungeklärt. Da es sich bei Schutz und Hilfe für von Gewalt Betroffene um eine freiwillige Leistung handelt, ist nicht gewährleistet, dass jede hilfesuchende Person Zuflucht und Schutz finden kann.
Problematisch wirkt sich auch der Druck seitens der Kommunen aus, den Aufenthalt im Frauenhaus möglichst kurz zu gestalten. Den Betroffenen bleibt so zu wenig Zeit, Lösungen zu finden, welche ihrer Lebenssituation angemessen ist. Je kürzer der Aufenthalt in einem Frauenhaus sich gestaltet, desto eher kehren die Bewohnerinnen in die gewaltgeprägte alte Wohnsituation zurück. Kurzfristig werden somit Kosten gespart. Langfristig bedeuten wiederholte Aufenthalte in Frauenhäusern jedoch Mehrkosten. Zudem orientiert sich die baulich-räumliche Ausstattung häufig an dem Charakter einer Notunterkunft. Mit ihrer Personalnot gehen Frauenhäuser kreativ um und binden die Bewohnerinnen aktiv in anfallende Aufgaben ein und fördern so deren Selbstständigkeit. Ohne die aktive Mitarbeit der Bewohnerinnen wäre es bei den derzeitigen finanziellen und personellen Bedingungen nicht möglich sicherzustellen, dass schutzsuchende Frauen jederzeit Zuflucht finden können. Dies ergab eine Befragung der Bewohnerinnen der Autonomen Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen.
II. Beschlussfassung
Die Landesregierung wird aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen und die Finanzierung der Frauenhäuser gesetzlich sicherzustellen. Die gesetzlichen Regelungen sollen sich dabei an folgenden Punkten orientieren:
- Es handelt sich bei gesetzlichen Regelungen zur Finanzierung von Frauenhäusern um Maßnahmen des Opferschutzes. Daher wird künftig allen von Gewalt Betroffenen und deren Kindern für eine angemessene Aufenthaltsdauer kostenlos und verbindlich Schutz gewährt - unabhängig von ihrem Einkommen, ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus.
- Zugunsten einer flexiblen und kurzfristigen Aufnahme von Hilfesuchenden ist die Finanzierung der einzelnen Frauenhäuser auch für den Fall sicherzustellen, dass nicht alle Platzkapazitäten der Häuser immer voll ausgeschöpft sind.
- Dabei sollten auch der Beratungsbedarf sowie speziell zugeschnittene Zufluchtsmöglichkeiten für männliche Opfer häuslicher Gewalt berücksichtigt werden.
Birgit Rydlewski
Dr. Joachim Paul
Marc Olejak
und Fraktion