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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/5755

 

06.05.2014

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der FDP

 

 

 

Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung entlasten –

Nordrhein-Westfalen als Impulsgeber für mutigen und konsequenten Bürokratieabbau

 

 

 

I. Ausgangslage:

 

Bürokratielasten gehören zu den größten Wachstumshemmnissen einer modernen und komplexen Volkswirtschaft wie Deutschland. Das gilt gerade auch für Nordrhein-Westfalen. Beispielsweise führen großflächige Umweltzonen, das totale Rauchverbot oder das Tariftreue- und Vergabegesetz landesspezifisch zu einer unnötigen Regelungsdichte zulasten von Bürgern, Betrieben und der öffentlichen Hand. 

 

Durch die Überfrachtung mit Regeln, durch unüberschaubare und schwer nachvollziehbare Vorschriften, durch eine Vielzahl von Kontrollinstanzen und durch intransparente Zuordnungen von Verantwortung nimmt die bürokratische Durchdringung der gesamten Gesellschaft zu. Dadurch werden die Bürger bevormundet, Unternehmer entmutigt, Innovationen verhindert und Privatinitiative abgewürgt. Ferner leidet durch unnötige Bürokratie die Effizienz öffentlicher Aufgabenerledigung, wenn öffentliche Haushalte statt eines konsequenten Personalabbaus immer mehr Bedienstete vorhalten, um permanent neue Regelungen zu überwachen und zu administrieren.

 

Auf Grundlage der systematischen Messung der Bürokratiekosten durch die Bundesregierung im Jahr 2007 wird allein in Deutschland von jährlichen Bürokratiekosten für die Wirtschaft in Höhe von ca. 50 Milliarden Euro ausgegangen. Diese Mittel sind durch Informationspflichten des Bundes in den Unternehmen gebunden und stehen für Forschung und Entwicklung oder Investitionen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr zur Verfügung. Besonders belastet sind vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, bei denen die Bindung von Personal, Zeit und Geld überproportional ins Gewicht fällt. Der gesamte Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft in Folge von Gesetzen und Vorschriften liegt dabei sogar ein Vielfaches über den bereits quantifizierten Kosten durch Informationspflichten.

 

Zwar werden zunehmend Versuche unternommen, bestehende Bürokratielasten zu reduzieren – beispielsweise durch das erfolgreiche Bürokratieabbau-Programm der CDU/FDP-geführten Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zwischen 2005 und 2010 – oder das Entstehen neuer Bürokratielasten zu minimieren – auf Bundesebene etwa durch die verpflichtende Prüfung von Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung durch den Nationalen Normenkontrollrat.

 

Trotz diverser Bürokratieabbau-Initiativen nimmt die Bürokratisierung der Gesellschaft aber weiter zu: Der "Monitor Erfüllungsaufwand" des Normenkontrollrates weist einen kontinuierlichen Anstieg der jährlichen Bürokratiekosten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung aus.

 

 

II. Handlungsnotwendigkeiten:

 

Bürger, Wirtschaft und Gesellschaft sowie die öffentliche Verwaltung müssen von bürokratischen Lasten befreit werden. Es ist dafür eine mutige Entfesselungsstrategie notwendig, die nicht nur überflüssige Bürokratie abbaut, sondern das Entstehen neuer Bürokratie verhindert. Von Nordrhein-Westfalen sollte in dieser Richtung ein positiver Impuls für Deutschland und Europa ausgehen.

 

Unabhängig von einzelnen Maßnahmen zum Abbau konkreter bürokratischer Belastungen durch Vorschriften und Normen müssen dafür in Nordrhein-Westfalen strukturelle Vorkehrungen getroffen werden, die wirksame Prozesse zur Verhinderung und zum Abbau von Bürokratie automatisch in Gang setzen.

 

1) Gesetze benötigen klare Zielvorgaben und ein Verfallsdatum

 

Grundsätzlich sollten alle Gesetze und die von ihnen ausgehenden Verordnungen befristet werden. Das bedeutet, dass diese Regelungen nach einem vorher festgelegten Zeitraum automatisch außer Kraft treten. Müssen bzw. sollen sie fortbestehen, muss ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden.

 

Ein solches sogenanntes Befristungsmanagement wurde von der nordrhein-westfälischen Landesregierung im Jahr 2011 weitgehend ausgesetzt. Neue Gesetze werden teilweise nicht mehr mit einem Verfallsdatum versehen, so zum Beispiel das Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen. Auch wurden bestehende Befristungen von Gesetzen durch die rot-grüne Koalition vollständig aufgehoben, wie etwa im Falle des Landespressegesetzes oder beim Nichtraucherschutzgesetz. Dieser Trend muss umgekehrt werden, da Befristungen ein wesentlicher Bestandteil einer transparenten, bürgernahen und bürokratiearmen Gesetzgebung sind.

 

Zusätzlich zum Befristungsmanagement wird ein echter Paradigmenwechsel in der Gesetzgebung benötigt: Die Politik muss konkrete und nachprüfbare Zielvorgaben für Gesetze und Verordnungen benennen. Nähert sich das Verfallsdatum, kann vor einer gewünschten Fristverlängerung öffentlich nachvollziehbar überprüft werden, ob diese Ziele tatsächlich erreicht wurden.

 

Durch die Befristung und Überprüfung müsste die Existenz von Gesetzen und Verordnungen regelmäßig legitimiert werden. Bestehende Bürokratie würde beständig mit der Realität konfrontiert. Das bisherige Prinzip, dass in der Praxis Vorschriften im Zweifel erhalten bleiben, würde umgekehrt. Und schließlich müssten auch sämtliche Subventionen, Fördermittel, Sozialleistungen etc. regelmäßig auf den Prüfstand – ein TÜV für staatliche Leistungen würde entstehen.

 

2) Ein permanenter Bürokratie-Audit in der Gesetzgebung in Nordrhein-Westfalen und in Europa ist notwendig

 

Der Nationale Normenkontrollrat überprüft schon heute sämtliche Gesetzentwürfe der Bundesregierung auf Bürokratielasten. Auch auf den weiteren staatlichen Ebenen ist allerdings ein solcher Bürokratie-Audit vonnöten. Deshalb muss ein europäischer Normenkontrollrat eingerichtet werden. Dieser ist für die Gesetzgebung der Europäischen Union zuständig, muss allerdings unabhängig von ihr agieren können.

 

Aber auch Länder und Kommunen benötigen eine effektive Kontrollinstanz. Um dabei keine überflüssige zusätzliche Bürokratie zu produzieren, wäre die Schaffung eines "Normenkontrollrates der Länder" sinnvoll, der die Auditierung für alle 16 Bundesländer leisten kann. Dadurch würden – nicht zuletzt mit Blick auf häufig parallel laufende oder zumindest artverwandte Gesetzgebungen – erhebliche Synergien geschaffen. Darüber hinaus könnte durch ein "Best-Practice-Verfahren" in sämtlichen Ländern stets auf die jeweils bürokratieärmste Lösung zurückgegriffen werden.

 

3) Nordrhein-Westfalen benötigt einen dauerhaften Bürokratieabbau-Automatismus

 

Diverse Projekte zum Abbau von Bürokratie wurden auf den verschiedenen staatlichen Ebenen bereits durchgeführt, etwa in Nordrhein-Westfalen zwischen 2005 und 2010. Auch das EU-Aktionsprogramm zum Abbau von Bürokratie unter Leitung von Dr. Edmund Stoiber war vor diesem Hintergrund wegweisend.

 

Dennoch zeigt nicht zuletzt der jüngste Bericht des Nationalen Normenkontrollrates, dass die Bürokratisierung der Gesellschaft weiter ansteigt. Neben der Befristung und der Auditierung von Gesetzen und Verordnungen ist daher ein dauerhafter Bürokratieabbau-Automatismus erforderlich.

 

So müssen für einen vorab definierten Zeitraum klare und ambitionierte Zielvorgaben für den Bürokratieabbau festgelegt werden. Der nordrhein-westfälischen Landesregierung sollte die Vorgabe gemacht werden, dass jährlich mindestens 20 konkrete Vorschläge zum Abbau von Vorschriften vorgelegt werden müssen. Diese müssen in der Folge ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Die Entscheidungshoheit liegt im weiteren Prozess also selbstverständlich bei der Legislative. Aber der Gesetzgeber würde sich selbst durch einen solchen Automatismus dazu ermutigen, den Nicht-Abbau von Bürokratie öffentlich zu vertreten und zu legitimieren. Davon kann ein Schub für die Entfesselung von Bürgern und Gesellschaft ausgehen.

 

 

III. Beschlussfassung:

 

Der Landtag Nordrhein-Westfalen beschließt daher:

 

Die Landesregierung wird aufgefordert,

 

1.    bei sämtlichen Initiativen für neue Gesetze und Verordnungen diese grundsätzlich mit einer Frist von maximal fünf Jahren zu versehen;

 

2.    bei sämtlichen Initiativen für die Änderung bestehender Gesetze und Verordnungen diese grundsätzlich mit einer Frist von maximal fünf Jahren zu versehen, sofern in den entsprechenden Normen keine Befristung enthalten ist;

 

3.    Entfristungen von Gesetzen und Verordnungen grundsätzlich nicht mehr vorzunehmen. Bei Normen, die ohne materielle Änderungen fortbestehen sollen, ist die Befristung um maximal fünf Jahre zu verlängern;

 

4.    innerhalb von drei Monaten einen Vorschlag zu erarbeiten und dem Landtag zur Kenntnis zu bringen, wie ein transparentes und konsistentes Effizienzmanagement für Gesetze und Verordnungen eingeführt und in der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen (GGO) verankert werden kann. Dabei sollen die bereits in Gesetzgebungsverfahren vorgesehenen Normprüfverfahren um konkrete und nachprüfbare quantitative und qualitative Zielsetzungen ergänzt werden;

 

5.    die Initiative zur Einrichtung eines Normenkontrollrates der Länder nach Vorbild des Nationalen Normenkontrollrates zu ergreifen und einen entsprechenden Beschluss bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz herbeizuführen;

 

6.    die Initiative zur Einrichtung eines Europäischen Normenkontrollrates nach Vorbild des Nationalen Normenkontrollrates zu ergreifen;

 

7.    einen dauerhaften Bürokratieabbau-Mechanismus einzurichten. Die Landesregierung soll dem Landtag jährlich einen Vorschlag zum Abbau von mindestens 20 konkreten bürokratischen Hemmnissen vorlegen. Die Vorschläge können aus den Reihen der Landesministerien bzw. der Landesverwaltung etwa im Rahmen interner Ideen-Wettbewerbe erarbeitet werden. Nach Einrichtung eines Normenkontrollrates der Länder kann dieser ebenfalls Ideen in die Vorschlagsliste der Landesregierung einbringen;

 

8.    selbst eine entsprechende Bundesratsinitiative zu ergreifen und parallel die Bundesregierung aufzufordern, innerhalb der laufenden Legislaturperiode des Bundestages die Gesamt-Bürokratiebelastung der Wirtschaft – also den Erfüllungsaufwand – zu quantifizieren und eine Senkung um 15 Prozent bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode anzustreben.

 

 

 

Christian Lindner

Christof Rasche

Ralf Witzel

Dietmar Brockes

Ralph Bombis

 

und Fraktion

 

 


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