LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/5035 |
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11.02.2014 |
Antrag
der Fraktion der FDP
Von Bürgern und Unternehmen zu viel gezahlte Rundfunkbeiträge müssen vollständig zurückerstattet werden – Anstehende Ministerpräsidentenkonferenz für spürbare Senkung des Rundfunkbeitrags nutzen
I. Sachverhalt
Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen in Deutschland stellen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit ihren „Rundfunkbeiträgen“ jährlich rund 7,5 Mrd. Euro an Finanzmitteln zur Verfügung. Dazu kommen Einnahmen aus Werbung, Sponsoring und sonstigen Erträgen in Höhe von etwa 1 Mrd. Euro. ARD, ZDF und Deutschlandradio stehen somit jährlich etwa 8,5 Mrd. Euro zur Verfügung.
Zum 1. Januar 2013 wurde das Finanzierungssystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf eine Haushalts- und Betriebsstättenabgabe umgestellt. Grundsätzlich soll mit diesem neuen „Rundfunkbeitrag“ jeder Privathaushalt sowie jeder Betrieb in Deutschland zur Finanzierung von ARD, ZDF und Co. herangezogen werden. Im Bereich der Privathaushalte existieren verminderte Beitragssätze und Befreiungen aus sozialen Gründen (etwa für Bezieher von Sozialhilfe oder ALGII) sowie bei Menschen mit Behinderungen. Im Bereich der Betriebsstätten sind die Beitragssätze nach Mitarbeiterzahlen und anderen Faktoren – etwa Größe des Fuhrparks eines Unternehmens oder Zimmerzahl eines Hotels – gestaffelt.
Durch die Umstellung des Finanzierungssystems wurde der Kreis der Beitragspflichtigen insgesamt deutlich erhöht, u.a. weil sich kein Bürger mehr von der Gebühren- bzw. Beitragspflicht durch einen Verzicht auf den Besitz von „Rundfunkempfangsgeräten“ entziehen konnte. Gleichwohl wurde die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für die Gebührenperiode 2013 bis 2017 festgelegte Gebührenhöhe von 17,98 Euro im Monat aus Praktikabilitätsgründen beibehalten.
Bereits vor der Umstellung auf das neue Beitragssystem war somit klar, dass der von der (KEF) ermittelte Finanzbedarf ab 2014 deutlich überkompensiert würde. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten würden also mehr Geld einnehmen, als ihnen rechtlich und tatsächlich zusteht. Diese Prognose hat sich nach offiziellen Berechnungen der KEF bestätigt. Sie rechnet mit Mehreinnahmen von insgesamt rund 1,15 Mrd. Euro.
Da die Rundfunkanstalten also mehr Geld eingenommen haben, als ihnen von Rechts wegen zusteht, haben die Beitragszahler zu viel gezahlt. Daraus ergibt sich zwingend, dass die zu viel gezahlten Beiträge an die Gebührenzahler zurückerstattet werden müssen. Da die Aufstellung eines ausgewogenen und zweckdienlichen Verteilungsschlüssels für die Rückerstattung mit erheblichem Aufwand verbunden wäre, bietet sich die Senkung des Rundfunkbeitrages aller Beitragszahler für die restliche Gebührenperiode an. Diese ist auch bereits von der KEF selbst grundsätzlich vorgeschlagen worden.
Auch der Intendant des Norddeutschen Rundfunks und ARD-Vorsitzende hatte eine Entlastung der Beitragszahler im Falle von Mehreinnahmen begrüßt und auf die Zuständigkeit der Bundesländer verwiesen. Aus diesen wiederum waren ebenfalls Bestrebungen zur Senkung des Rundfunkbeitrags angekündigt worden.
Dies muss nun zügig umgesetzt werden. Dabei dürfen aktuelle Debatten, die sich grundsätzlich mit einer potentiellen Reform des in der Tat problematischen Konstrukts einer haushalts- und betriebsbezogenen Abgabe, mit den Möglichkeiten einer sozial ausgewogeneren Gestaltung des geltenden Beitragsmodells oder mit wünschenswerten strukturellen Änderungen im dualen Rundfunksystem – etwa der Verzicht auf Werbung und Sponsoring bei den Öffentlich-rechtlichen – befassen, nicht von der rechtlich und staatspolitisch problematischen Situation der finanziellen Überkompensation von ARD, ZDF und Co. ablenken.
Denn bei den bereits jetzt festgestellten Mehreinnahmen handelt es sich um Beiträge, die in der aktuellen Gebührenperiode 2013 bis 2017 anfallen. Strukturelle Anpassungen, soziale Aspekte und etwaige von den Rundfunkanstalten gewünschte Mehrausgaben müssen dagegen der Berechnung der Beitragshöhe für die nächste Gebührenperiode zugrunde gelegt werden. Die Rückerstattung der in der Vergangenheit zu viel gezahlten Beiträge an Bürger und Unternehmen muss davon unabhängig vorgenommen werden.
Auch die aus politischen Erwägungen möglicherweise nicht wünschenswerte Situation, dass nach einer Absenkung des Rundfunkbeitrages in dieser Gebührenperiode eine Erhöhung des Beitrags in der nächsten Periode notwendig werden könnte, darf kein Hinderungsgrund für die gebotene Rückerstattung von zu viel gezahlten Beiträgen an Bürger und Unternehmen sein.
Denn erstens ist politisch Wünschenswertes grundsätzlich kein Hinderungsgrund für rechtlich und sachlich Gebotenes. Und zweitens ist eine langfristige Stabilisierung des Rundfunkbeitrages auf dem dann niedrigeren Beitrag angezeigt und auch möglich, da in der Umstellung des Finanzierungssystems auf eine Haushalts- und Betriebsstättenabgabe eine automatische Erhöhung der Finanzmittel für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingebaut ist: die Zahl der Privathaushalte ist in Deutschland seit Jahren angestiegen, und der Trend setzt sich nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes auch in den kommenden Jahren fort. Darüber hinaus darf es auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk keinen Beitragsanstiegs-Automatismus geben. Konsequentere Bemühungen für Einsparungen insbesondere im institutionellen Bereich sind notwendig.
Abgesehen davon würde sich sogar im Falle einer Absenkung des Rundfunkbeitrages in der von der KEF selbst vorgeschlagenen Höhe von 0,73 Euro rechnerisch eine Reserve für die nächste Gebührenperiode ergeben. Im Rahmen dieser Reserve würden Kosten für Anpassungen des Beitragssystems, strukturelle Änderungen sowie Mehrbedarfsanmeldungen der Anstalten kompensiert werden. Sie dürfte mit Blick auf die automatische Erhöhung der Finanzmittel durch die Zunahme von Privathaushalten sogar noch größer ausfallen, als sie vom jetzigen Stand aus rechnerisch prognostiziert werden kann.
II. Der Landtag stellt fest,
1. dass mit der Umstellung des Finanzierungssystems des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf einen haushalts- und betriebsstättenbezogenen Beitrag eine längerfristige Zunahme des Beitragsaufkommens verbunden ist. Schon allein damit ist nicht nur der Bestands-, sondern auch der sog. Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung getragen.
2. dass die Umstellung des Finanzierungssystems bei Beibehaltung der Beitragshöhe von 17,98 Euro zu erheblichen Mehreinnahmen geführt hat. Von der KEF werden für die Gebührenperiode 2013 bis 2017 Mehreinnahmen von rund 1,15 Mrd. Euro erwartet.
3. dass in der nächsten vierjährigen Gebührenperiode damit – ausgehend von einem gleichbleibenden Finanzbedarf der Anstalten, gleichbleibenden rechtlichen Rahmenbedingungen und Beibehaltung der Beitragshöhe – ebenfalls Mehreinnahmen in mindestens dieser Größenordnung entstehen würden.
4. dass selbst bei einer Absenkung des Rundfunkbeitrages um 0,73 Euro im Monat rechnerisch eine Reserve von rund 575 Mio. Euro entstehen würde.
5. dass eine Zurückhaltung von Beiträgen, die von den Beitragszahlern zu viel gezahlt wurden, nicht zulässig ist, da den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur die Mittel zustehen, die im Rahmen der Bedarfsfeststellung der KEF ermittelt wurden.
6. dass das Konzept der Haushalts- und Betriebsstättenabgabe unabhängig von der erforderlichen Rückerstattung der zu viel gezahlten Beiträge überarbeitet werden muss.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. den Vorschlag der KEF, den Rundfunkbeitrag zu senken, umgehend aufzugreifen, eine entsprechende Initiative zu erarbeiten und bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 13. März 2014 zu beschließen.
2. die von den Bürgerinnen und Bürgern zu viel gezahlten Beiträge dabei vollständig und unabhängig von gebotenen Anpassungen des Finanzierungssystems des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an diese zurückzugeben.
3. eine Überprüfung der Haushalts- und Betriebsstättenabgabe vorzunehmen und Vorschläge für ein gerechteres, sozial ausgewogeneres und unbürokratischeres Finanzierungssystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorzunehmen.
Christian Lindner
Christof Rasche
Thomas Nückel
Ingola Schmitz
und Fraktion