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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/4902

 

29.01.2014

 

 

 

 

Entschließungsantrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

 

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Öffentlich-rechtliches Telemedienangebot für Beitragszahlerinnen und -zahler verbessern (Abschaffung der 7-Tage-Frist)“, Drucksache 16/4809

 

 

 

Digitales Mittelalter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beenden: 7-Tage-Frist-abschaffen, Inhalte zur Weiterverwertung freigeben, offene Lizenzen und Formate fördern, Barrierefreiheit ausbauen, Werbefreiheit durchsetzen

 

 

 

I. Sachverhalt

 

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben den Verfassungsauftrag, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung zu gewährleisten. Sie werden von den Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen finanziert.

Daher müssen die von ihnen produzierten Inhalte der Bevölkerung auf möglichst vielen Verbreitungswegen ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen.

 

Es ist nicht erklärbar, weshalb öffentlich-rechtliche Produktionen nach bestimmten Fristen wieder aus den Online-Mediatheken der Anstalten gelöscht werden müssen. Die Inhalte werden von der Allgemeinheit finanziert und müssen dementsprechend für die Allgemeinheit zur Verfügung stehen und genutzt werden können. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss im Internet mehr Spielraum erhalten, seine Produktionen müssen uneingeschränkt frei zugänglich sein. Bei Fremd- und Co-Produktionen sind die Interessen von Urhebern und Produktionsbeteiligten angemessen und fair zu berücksichtigen.

 

Nutzung in diesem Sinne bedeutet aber nicht nur reines Konsumieren öffentlich-rechtlicher Telemedienangebote im Sinne des lange überholten Sender-Empfänger-Prinzips, sondern beinhaltet auch die Möglichkeit zur kreativen Weiterverwendung und Weiterverwertung der Medieninhalte. Dazu ist unter anderem die Verwendung freier Formate und freier Lizenzen anzustreben. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind gehalten, allen Urheberinnen und Urhebern sowie den Produktionsbeteiligten eine angemessene und faire Beteiligung an der über die 7-Tage-Frist hinausgehende Verwertung und für die Möglichkeit der kreativen Weiterverwertung zu gewährleisten. Die vertraglichen Rahmenbedingungen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten müssen dies zukünftig berücksichtigen.

 

Ebenfalls im Kontext der sogenannten „neuen Medien“ und der damit einhergehenden Medienkonvergenz sollen auch die Möglichkeiten modernen Internet-Technologien stärker berücksichtigt werden. Nutzerinnen und Nutzer können so selbst zu Sendern, zu Kommentatoren, zu aktiven Diskussionsteilnehmern werden. Dazu müssen entsprechende Plattformen in das öffentlich-rechtliche Angebot integriert werden, wie es zum Beispiel der WDR zunehmend versucht. Diese Entwicklung gilt es zu unterstützen – gerade auch in den Hauptsendern ARD und ZDF.

 

Durch die Systemumstellung von der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag wurden auch viele Menschen mit Behinderung zu Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen. Diese haben ein uneingeschränktes Anrecht auf barrierefreien Zugang zu allen Inhalten der öffentlich-rechtlichen Medien. Die Bedeutung von beschreibenden Texten zu Bewegtbildern und Tonmitschnitten für einen barrierefreien Zugang ist unbestreitbar. Gleichwohl haben alle öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erheblichen Nachholbedarf in Sachen Barrierefreiheit sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Es gilt, Barrierefreiheit auf allen Ebenen und Sendeplattformen durchzusetzen.

 

Ein schrittweiser Einstieg in die Werbefreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch vor 20 Uhr ist erstrebenswert. Allerdings scheuen die medienpolitisch Verantwortlichen seit Jahren echte Schritte hin zu diesem Ziel. Insbesondere vor diesem Hintergrund sind alle aktuellen Forderungen nach einer Beitragssenkung absurd.

 

Gleichwohl muss eine breite Diskussion um die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags und dessen Finanzierung, also letztlich um die Begriffsdefinition der medialen Grundversorgung, gesamtgesellschaftlich geführt werden, um auch Einsparpotentiale innerhalb der Programme (z. B. Sportübertragungsrechte, Talkshows) zu identifizieren und die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt zu steigern, ohne damit die Existenz der Öffentlich-Rechtlichen als unverzichtbare Säule unserer Medienordnung zu gefährden.

 

 

II. Beschlussfassung

 

Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf, proaktiv auf Verhandlungen mit den anderen Bundesländern und der Europäischen Union hinzuwirken, um sich – über die im Antrag mit der Drucksache 16/4809 genannten Forderungen hinaus – für folgende Ziele einzusetzen:

 

  1. Die Möglichkeiten der kreativen Weiterverwendung öffentlich-rechtlicher Medieninhalte sollen gestärkt werden, indem bei Auftragsvergaben und Co-Produktionen auf entsprechende Vertragsgestaltungen geachtet und die Verwendung offener Lizenzen und Formate gefördert wird.

 

  1. Wo es bereits jetzt möglich ist – zum Beispiel bei Eigenproduktionen –, sollen die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schnellstmöglich unter freien Lizenzen veröffentlicht werden, um eine Nachnutzung zu erlauben.

 

  1. Eine angemessene und faire Vergütung der Urheber und Produktionsbeteiligten muss in jedem Fall vertraglich sichergestellt werden.

 

  1. Die Integration partizipativer Internet-Technologien als integraler Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Angebots soll gestärkt und ausgebaut werden.

 

  1. Die Barrierefreiheit aller öffentlich-rechtlichen Medieninhalte auf allen Sendekanälen soll sowohl quantitativ als auch qualitativ durchgesetzt werden.

 

  1. Der Einstieg in die Werbefreiheit auch vor 20 Uhr soll praktisch angegangen werden, um perspektivisch volle Werbefreiheit zu gewährleisten.

 

  1. Die gesamtgesellschaftliche Diskussion um Auftrag und Grenzen öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten soll gefördert und produktiv zugunsten einer langfristigen Qualitätssteigerung genutzt werden.

 

 

 

Dr. Joachim Paul

Nicolaus Kern

Daniel Schwerd

Lukas Lamla

 

und Fraktion

 


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