LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/4815 |
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21.01.2014 |
Antrag
der Fraktion der PIRATEN
EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen die EU-Grundrechtecharta und darf nicht umgesetzt werden!
I. Sachverhalt
Am 03. Mai 2006 trat nach langer kontroverser politischer Debatte die EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG) in Kraft. Sie verpflichtet, vereinfacht dargestellt, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, nationale Gesetze zu erlassen, nach denen bestimmte Daten, die bei der Bereitstellung und Nutzung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste anfallen, von den Diensteanbietern mindestens sechs Monate auf Vorrat gespeichert werden müssen.
Seit ihrem Inkrafttreten ist die Richtlinie sowohl politisch als auch rechtlich höchst umstritten. So wird immer wieder auf die geringe Wirksamkeit der Richtlinie bei der Terrorismusbekämpfung und Strafverfolgung, deren maßgebliche Verbesserung die Richtlinie zum selbst gesteckten Ziel hat, hingewiesen. Darüber hinaus werden die schweren, unverhältnismäßigen Eingriffe in die Informationelle Selbstbestimmung sowie die Privatsphäre der Bürger betont.
Nun stellte EU-Generalanwalt Pedro Cruz Villalón jüngst in einem am 12. Dezember 2013 veröffentlichten Gutachten fest, dass die europäische Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung in mehreren Punkten gegen die Grundrechtecharta der EU verstößt. Cruz Villalón kritisiert, dass der Zugriff auf sensible Daten nicht ausreichend geregelt sei. Ebenso bedürfe es für die Verwendung der Daten klarer spezifizierter Regeln. Kritik übte er auch an der vorgesehenen Speicherdauer.
Das Gutachten des Generalanwalts unterstreicht einmal mehr die grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Grundrechtswidrigkeit der Richtlinie. Von einer grundrechtswidrigen Umsetzung wären insbesondere die 17,6 Millionen Einwohner Nordrhein-Westfalens in erheblichem Maße betroffen. Die in Nordrhein-Westfalen ansässigen Telekommunikationsunternehmen wären bei Einführung der Vorratsdatenspeicherung in der gegenwärtigen Fassung zur Umsetzung einer grundrechtswidrigen Maßnahme verpflichtet.
Zwar wurde im ausgehandelten Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD die zügige Umsetzung der EU-Richtlinie festgeschrieben. Am 05. Januar 2014 gab Justizminister Heiko Maas jedoch bekannt, dass die Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung vorerst „auf Eis liege“, da mit einer möglichen Kassierung der Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof, „die ‚Geschäftsgrundlage‘ für den Koalitionsvertrag komplett entfallen“ sei.
Wenige Tage darauf kündigten die Bundesminister Maas und de Maizière gemeinsam an, zwar bis zum erwarteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs keinen Gesetzentwurf mehr vorlegen zu wollen, allerdings unmittelbar mit den Vorarbeiten an einem entsprechenden Entwurf zu beginnen.
II. Der Landtag stellt fest
1. Die Vorratsdatenspeicherung ist grundrechtswidrig und ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Informationelle Selbstbestimmung sowie die Privatsphäre der Bürger.
2. Das Gutachten des Generalanwalts Cruz Villalón ist ein weiteres klares Zeichen dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht mit der EU-Grundrechtscharta vereinbar ist und daher nicht umgesetzt werden darf.
3. Die Bundesregierung muss grundsätzlich von einer Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24/EG in nationales Recht absehen.
III. Der Landtag beschließt
Der Landtag fordert die Landesregierung dazu auf, sich mit allen dazu geeigneten Mitteln auf allen politischen Ebenen, im Bundesrat sowie auf EU-Ebene gegen die Umsetzung der EU-Richtlinie in der derzeitigen Form und jede sonstige Art der Vorratsdatenspeicherung bzw. Mindestspeicherfrist einzusetzen.
Dr. Joachim Paul
Nicolaus Kern
Daniel Schwerd
und Fraktion