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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/4593

 

10.12.2013

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

Anhörung von Edward Snowden im Europäischen Parlament genau verfolgen und auswerten – Landesregierung muss Konsequenzen zum Schutz der Menschen in Nordrhein-Westfalen ziehen!

 

I. Sachverhalt

Es sind nunmehr knapp sechs Monate vergangen seit die ersten Geheimdokumente  bezüglich der massenhaften und menschenrechtswidrigen Überwachungs- und Spionagetätigkeiten internationaler Geheimdienste, insbesondere die der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs, der Weltöffentlichkeit präsentiert wurden. 

Zentrale Person im größten Überwachungs- und Spionageskandal unserer Zeit ist der US-amerikanische Whistleblower Edward Snowden. Er hat unter Gefahr für sein Leib und Leben unzählige Geheimdienstdokumente der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht. Jene Geheimdokumente deuten auf eine Überwachungswut westlicher Geheimdienste ungeahnten Ausmaßes hin. Demnach machen diese auch nicht vor der massenhaften, anlasslosen und somit illegalen Überwachung der Bürger und Regierungen selbst befreundeter Staaten halt.

Bis zum heutigen Tage wurde der Wahrheitsgehalt sämtlicher Dokumente von keiner involvierten Partei, inklusive der betroffenen Regierungen, in Frage gestellt. 

Es muss davon ausgegangen werden, dass der US-amerikanische Geheimdienst NSA und der britische Geheimdienst GCHQ massenhaft Meta- und Inhaltsdaten der Kommunikation der Bevölkerung in Deutschland sowie der deutschen Bundesregierung abgefangen, gespeichert und ausgewertet hat. Damit haben sie die Grundrechte von Millionen in Deutschland lebender Menschen verletzt und den Kernbestand der nationalen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland angegriffen. Vor allem aber erzeugt eine massenhafte und anlasslose Überwachung ein Klima der Angst und des Misstrauens: Abweichendes Verhalten und Individualität werden zum Anfangsverdacht. Edward Snowden äußerte sich in diesem Zusammenhang wie folgt im Nachrichtenmagazin Der Spiegel: „Solche Programme sind nicht nur eine Bedrohung der Privatsphäre, sie bedrohen auch die Meinungsfreiheit und offene Gesellschaften“ (Quelle: Der Spiegel, 45/2013).

In Folge des Bekanntwerdens der Überwachungs- und Spionagetätigkeiten beauftragte das Europäische Parlament (EP) in seiner Entschließung vom 04. Juli 2013 den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss), den genannten Sachverhalt zusammen mit den nationalen Parlamenten zu untersuchen und bis Jahresende Bericht zu erstatten. Der Untersuchungsauftrag an den LIBE-Ausschuss umfasst insbesondere:

-       die Erfassung sämtlicher relevanter Informationen und Beweismittel aus EU- und US-Quellen;

-       die Untersuchung der Auswirkungen der Überwachungsprogramme auf folgende Bereiche: die Grundrechte der EU-Bürger (insbesondere der Schutz der Privatsphäre und der Informations- und Meinungsfreiheit, die Unschuldsvermutung sowie das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf), den aktuellen Datenschutz innerhalb der EU sowie für EU-Bürger außerhalb der EU, unter besonderer Berücksichtigung der Wirksamkeit des EU-Rechts im Zusammenhang mit extraterritorialen Mechanismen, die Sicherheit der EU auf dem Gebiet der Cloud-Technologie, den Mehrwert und die Verhältnismäßigkeit derartiger Programme in Bezug auf die Terrorismusbekämpfung, die externe Dimension des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Bewertung der Gültigkeit von Angemessenheitsbeschlüssen für EU-Übertragungen auf Drittländer, beispielsweise im Rahmen des Safe-Harbour-Abkommens, sonstiger internationaler Abkommen und anderer Rechtsinstrumente für Rechtsbeistand und Zusammenarbeit);

-       die Erarbeitung von Empfehlungen, wie weitere Verletzungen verhindert werden können und ein zuverlässiger und sicherer Schutz der persönlichen Daten von EU-Bürgern mit geeigneten Mitteln, insbesondere durch die Annahme eines umfassenden Datenschutzpakets, erreicht werden kann.

Jüngst sprach sich der LIBE-Ausschuss mehrheitlich dafür aus, in einer seiner kommenden Sitzungen Edward Snowden anzuhören. Im Rahmen der Anhörung sollen die zuständigen EU-Parlamentarier den Zeugen auch befragen können. Aufgrund der Möglichkeit der geografischen Lokalisierung Snowdens mittels einer Live-Übertragung sollen die Fragen dem Zeugen im Vorfeld zugesendet werden; die Antworten werden dann dem Ausschuss als Videoaufzeichnung zur Verfügung gestellt. Die genannte Sitzung könnte frühestens am 18. Dezember 2013 vormittags stattfinden.

II. Der Landtag

1.      geht auf Grundlage der Informationen aus den von Edward Snowden zugänglich gemachten Geheimdokumenten davon aus, dass US-amerikanische und britische Geheimdienste verdachtsunabhängig und flächendeckend internationale wie auch innerdeutsche elektronische Kommunikationsvorgänge erfassen und diese zu unterschiedlichen geheimdienstlichen Zwecken sowie vermutlich zu Zwecken der Wirtschaftsspionage auswerten. Das Land Nordrhein-Westfalen und die hier lebenden Menschen sind unmittelbar von diesen Vorgängen betroffen.

2.      wertet das wahllose Abhören, Aufzeichnen und Auswerten des Kommunikationsverkehrs von in NRW ansässigen Menschen, staatlichen und unterstaatlichen Organen und Behörden sowie sämtlichen anderen Organisationen einschließlich ihrer gewählten oder ernannten Mitglieder durch staatliche Dienste der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs unter Anwendung von Überwachungs- und Spionageprogrammen wie „PRISM“, „Tempora“, „Xkeyscore“, „Bullrun“ und anderen als Angriff auf die Bürger-, Freiheits- und Schutzrechte der Menschen.

3.      stellt fest, dass die Landesregierung ihre eigene Schutzverantwortung gegenüber den Grundrechtsträgern in Nordrhein-Westfalen in jeder erdenklichen Weise, insbesondere durch die Verfolgung und Auswertung sämtlicher Entwicklungen und Erkenntnisse hinsichtlich der relevanten Überwachungs- und Spionagetätigkeiten ausländischer Geheimdienste in Deutschland und NRW, wahrnehmen muss.

4.      begrüßt die geplante Anhörung von Edward Snowden als zentraler Zeuge im Rahmen der Untersuchungen im LIBE-Ausschuss des EP ausdrücklich und erhofft sich dadurch wertvolle Erkenntnisse in Bezug auf die Überwachungs- und Spionagetätigkeiten ausländischer Geheimdienste in Deutschland und NRW sowie die damit verbundenen Grundrechtsverletzungen. 

 

III. Der Landtag beschließt

1.      Der Landtag fordert die Landesregierung dazu auf, die geplante Anhörung von Edward Snowden als Zeuge im LIBE-Ausschuss, insbesondere unter Berücksichtigung der eigenen Verantwortlichkeiten hinsichtlich der genannten Geheimdiensttätigkeiten, genau zu verfolgen und eine eigene Auswertung der Anhörung vorzunehmen.

2.      Der Landtag fordert die Landesregierung darüber hinaus auf, den unter Einbeziehung der Anhörung von Edward Snowden noch fertigzustellenden Bericht des LIBE-Ausschusses bezüglich der genannten Überwachungs- und Spionagetätigkeiten aus Sicht des Landes NRW detailliert auszuwerten und dem Landtag unmittelbar nach Fertigstellung der eigenen Bewertung zu berichten.    

3.      Der Landtag appelliert an die zuständigen EU-Parlamentarier des LIBE-Ausschusses entsprechend offene und passgenaue Fragen zu stellen, deren Beantwortung einen echten Beitrag zur Aufarbeitung des Überwachungs- und Spionageskandals im Allgemeinen sowie zur Klärung der Verantwortlichkeiten der politischen Entscheidungsträger in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten im Speziellen leisten können – sollte der zeitliche Rahmen dies noch zulassen.

 

 

Dr. Joachim Paul

Monika Pieper

Daniel Schwerd

Nicolaus Kern

 

und Fraktion

 

 


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