LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/4427 |
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19.11.2013 |
Antrag
der Fraktion der SPD
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
der Fraktion der PIRATEN
Zugang zum Internet ist heute Voraussetzung für soziale, demokratische und ökonomische Teilhabe in der digitalen Gesellschaft.
Ein fehlender Internetzugang bei einkommensschwachen Familien wirkt sich für die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen stark benachteiligend aus. Nicht hinreichend verfügbare Internet-Zugänge verschärfen so die in Deutschland ohnehin weit über dem Durchschnitt vergleichbarer OECD-Staaten liegende Abhängigkeiten der individuellen Bildungschancen vom Bildungsgrad der Eltern.
Die Abschaffung der Störerhaftung für Betreiberinnen und Betreiber freier WLANs würde zudem einen erweiterten wirtschaftlichen Faktor darstellen, da somit beispielsweise Cafés, Veranstaltungszentren, Jugendtreffs, Hotels und Co-Working-Spaces ihre Attraktivität verbessern könnten und eine umfangreichere Nutzung ihrer Angebote ermöglicht würde.
Eine entsprechende Abschaffung kann die Ausbausituation mit Internetversorgung in den Gebieten verbessern, in denen noch nicht flächendeckend ein breitbandiger Netzzugang zur Verfügung steht, da damit eine Anbindung in Bürgerhand kostenneutral für die öffentliche Hand und die Industrie ad hoc aufgebaut werden kann. Ein solches, lokales Netz kann die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde verbessern, stärkt das Verantwortungsbewusstsein und den Zusammenhalt.
Zurzeit ist der Betrieb von geteilten Internetzugängen rechtlich problematisch. Eine verschuldensunabhängige Mitstörerhaftung des Betreibers eines Internetzugangs wird in der aktuellen Rechtsprechung deutscher Gerichte regelmäßig selbst dann angenommen, wenn er selbst keinen Einfluss auf die über den Zugang vermittelten Daten nehmen kann. Damit steht ein privater oder gewerblicher Betreiber eines geteilten Internetzugangs stets in der Verantwortung, für Rechtsverstöße von Mitnutzern zu haften, während hingegen ein Internet-Zugangsprovider für solche Verstöße erst ab Kenntnis haften muss. Betreiber von öffentlich geteilten Netzzugängen sind Providern gegenüber rechtlich deutlich benachteiligt.
Eine sichere Bereitstellung eines geteilten Internetzugangs ist nur dann möglich, wenn Betreiber solcher Zugänge keine unkalkulierbaren Haftungsrisiken eingehen müssen, sondern - analog den Providern - für Rechtsverstöße von Mitnutzern nicht ohne Kenntnis haften.
Den Betreibern eines solchen Zugangs kann auch nicht auferlegt werden, sämtliche Nutzer zu- und -abgänge zu protokollieren, da dies im öffentlichen Raum nicht realisierbar ist. Genauso wenig kann eine Filterinfrastruktur angesetzt werden, da diese technisch unwirksam ist und die Vertraulichkeit der Kommunikation über diesen Zugang verletzen würde.
Der Bundesgerichtshof hat im Mai 2010 im „Sommer unseres Lebens“-Urteil in Sachen Störerhaftung und WLAN entschieden. Durch dieses Urteil wurde bei Betreiberinnen und Betreibern von WLANs eine erhebliche Rechtsunsicherheit ausgelöst. Die zentrale Fragestellung ist hierbei, inwiefern eine Betreiberin oder ein Betreiber bei Rechtsverletzungen (nicht nur im Bereich des Urheberrechts) bei offenen WLAN haftbar gemacht werden kann. In seinem Urteil stellt der BGH klar, dass der Betrieb eines offenen WLAN grundsätzliche eine Gefahrenquelle (für Rechtsverletzungen durch Dritte) darstelle, und Betreiberinnen und Betreiber durch eigene Schutzmaßnahmen diese Zugänge sichern müssten. Unterbleiben derartige Sicherungsmaßnahmen greift die sogenannte Störerhaftung.
Die Landesregierung hat sich in der Bundesratssitzung am 12. Oktober 2012 der Bundesratsinitiative der Länder Hamburg und Berlin angeschlossen, in der die Bundesregierung zu einer gesetzlichen Neuregelung der Störerhaftung aufgefordert wurde. Der Beschluss (Bundesrats-Drucksache 545/12) forderte die Bundesregierung auf, eine Klärung herbeizuführen, wie das Potenzial vorhandener WLAN- Netze stärker nutzbar gemacht werden kann, und fokussierte hierbei insbesondere auf eine Beschränkung des Haftungsrisikos für WLAN-Betreiberinnen und –Betreiber durch eine Erweiterung der Haftungsbeschränkung gemäß § 8 TMG.
In ihrer Stellungnahme zum Beschluss des Bundesrates lehnte die Bundesregierung einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf ab und verwies auf die Möglichkeit einer höchstrichterlichen Klärung des aufgeworfenen Sachverhalts. Insgesamt stelle „die geltende Rechtslage aus Sicht der Bundesregierung kein Hemmnis für die weitere Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum dar. Die Bundesregierung hält daher eine gesetzliche Regelung zur Beschränkung des Haftungsrisikos für WLAN-Betreiber weder für geeignet noch für erforderlich.“
Auch vor dem Hintergrund der Untätigkeit der schwarz-gelben Bundesregierung bei der Schaffung von Rechtssicherheit für WLAN- Betreiberinnen und Betreiber ist es erforderlich, auch weitere Formen offener Zugänge zum Internet vorzuhalten und weiterzuentwickeln.
Neben der Neuregelung der Störerhaftung sollten insgesamt die Bedingungen für offene Netzzugänge verbessert werden.