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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2888

 

07.05.2013

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der SPD und

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

 

 

Für echtes Netz:

Netzneutralität dauerhaft gewährleisten und gesetzlich festschreiben!

 

 

I.       Ausgangslage

 

Netzneutralität bezeichnet die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel (Best-Effort). Netzneutralität war bislang essenzieller Bestandteil des freien und innovativen Internets. Die technische Entwicklung der vergangenen Jahre hat zu einer deutlichen Veränderung der Angebote im Internet geführt. Insbesondere kapazitätsintensive Angebote wie Videoportale und Internettelefonie verzeichnen starke Zuwachsraten.

 

Netzwerkmanagement kann unter Umständen technisch notwendig und auch  im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher sein. Netzwerkmanagement darf jedoch nicht zu einer Verdrängung des bisherigen Best-Effort-Internet führen. Ebenso muss verhindert werden, dass einzelne Anwendungen durch die Provider blockiert oder verhindert werden, also eine Inhaltskontrolle durch die Provider stattfindet. Hierzu bedarf es eines gesetzlichen Rahmens, damit Fehlentwicklungen von vornherein verhindert werden können.

 

Ende April gab die Deutsche Telekom AG eine Reform ihrer Datentarife bekannt, mit der die bisherigen DSL- Flatrates abgeschafft und durch Datenvolumentarife ersetzt werden. Nutzerinnen und Nutzern, die dieses Kontingent verbraucht haben, wird die Zugangsgeschwindigkeit auf 384 kbit/s abgesenkt. Dies ist insbesondere mit Blick auf die digitale Teilhabe problematisch, da viele der heute weit verbreiteten Dienste mit einer solchen Geschwindigkeit kaum nutzbar sind. Gleichzeitig sollen aber eigene Dienstangebote und Partnerangebote, so genannte „Managed Services“, priorisiert und nicht auf das Datenvolumen angerechnet werden. Die Reduzierung der Bandbreite oder die Rückkehr zu Volumentarifen kann man aus wirtschaftspolitischer wie aus verbraucherpolitischer Perspektive kritisieren – dies läge aber letztlich in der Entscheidung des Unternehmens und wäre rechtlich nicht zu beanstanden. Um einen Verstoß gegen die Netzneutralität handelt es sich aber, wenn der Datenverkehr in den Netzen behindert oder verlangsamt wird, während gleichzeitig eigene Dienste oder Partnerdienste bevorzugt werden. Denkbar wäre, dass die Telekom mit Youtube einen solchen Partnervertrag schließt; dies hätte zur Folge, dass nach Erreichen der Volumengrenze und der Drosselung Youtube genutzt werden kann, nicht aber die Mediatheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

 

 

II.      Der Landtag stellt fest:

 

Die gleichberechtigte Übertragung von Datenpaketen ist integraler Bestandteil der Freiheit des Internets und maßgeblicher Erfolgsfaktor für den gesellschaftlichen Durchbruch der Digitalisierung. Der freie und offene Zugang zum Internet leistet damit einen Beitrag zur demokratischen, sozialen und ökonomischen Teilhabe. Diese Teilhabe wird durch nach Empfängerinnen und Empfängern, Anbieterinnen und Anbieter oder Inhalten differenzierte Zugriffsmöglichkeiten auf digitale Güter in einer nicht zu tolerierenden Weise eingeschränkt.

 

Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes aus dem Jahr 2012 stellt keine wirkmächtige Festschreibung der Netzneutralität dar. Damit hat die Bundesregierung das von ihr selbst im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Koalition vereinbarte Ziel der Sicherung der Netzneutralität nicht erreicht. Dieses insgesamt zu geringe Engagement der Bundesregierung für eine wirksame Sicherung der Netzneutralität ist auch vor dem Hintergrund eindeutiger Vorgaben der Europäischen Union nicht nachvollziehbar. Die EU hat bereits 2009 erkannt, dass Netzneutralität ein wichtiger Bestandteil für die zukunftsfähige Funktionstüchtigkeit des Europäischen Binnenmarkts ist. Netzneutralität ist dabei als politisches Regulierungsziel vorgesehen.

 

Die Vielfalt, das enorme Wachstum und die Reichhaltigkeit des heutigen Netzes wurden gerade durch die relativ geringen Marktzugangshürden für neue und innovative Anbieter ermöglicht. Der Verzicht auf eine nachhaltige Sicherung der Netzneutralität könnte dazu führen, dass etablierte Anbieter aufgrund höherer vorhandener Finanzkraft ihre Daten schneller transportieren lassen könnten als neue – vielfach finanzschwächere – Start-Ups. Dies würde zu einer Marktabschottung führen und die Hürden für einen erfolgreichen Einstieg in die Netzökonomie höher legen. Der Landtag befürwortet eine vielfältige und innovative Internetwirtschaft und sieht in der Sicherung der Netzneutralität einen Baustein, um diesen Wirtschaftszweig zu sichern und zu fördern. Netzneutralität war und ist als Grundlage des Wettbewerbs und des freien Marktzugangs der Innovationsmotor einer globalen Vernetzung.

 

Der Landtag begrüßt, dass bereits 2008 mit dem 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag erste Rahmenbedingungen zur Sicherung der Netzneutralität unternommen wurden. So ermöglicht §52a Rundfunkstaatsvertrag zwar ein sachlich gerechtfertigtes Netzwerkmanagement bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung der Netzneutralität. Die Integrität der Inhalte muss aber für alle Beteiligten an jedem Punkt der Datenübertragung gewährleistet sein.

 

Sollten die Bemühungen der Bundesregierung zu einer nachhaltigen Sicherung der Netzneutralität weiterhin nicht ausreichend sein, befürwortet der Landtag eine Weiterentwicklung der Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags, um in diesem Wege die Netzneutralität wirksam zu sichern.

 

 

III.   Der Landtag beschließt

 

1.   Als wichtiger Standort der Medien- und Kreativbranche hat Nordrhein- Westfalen eine besondere Verantwortung zur Sicherung des freien und gleichberechtigten Zugangs zum Internet. Der Landtag sieht mit großer Sorge die wiederholten Versuche einiger Internet Service Providers (ISPs), den Grundsatz der Netzneutralität zu untergraben.

 

2.   Der Landtag kritisiert die Weigerung der Bundesregierung, eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität herbeizuführen. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zu unternehmen mit dem Ziel, die Netzneutralität gesetzlich im Telekommunikationsgesetz festzuschreiben.

 

3.   Ziel des Landtags ist die Schaffung eines verbindlichen Rechtsrahmens, der den gleichberechtigten Transport aller Datenpakete, unabhängig von seinem Inhalt oder seiner Absenderadresse, garantiert. Zugangsprovider müssen dazu verpflichtet werden, ihren Kundinnen und Kunden Inhalte diskriminierungsfrei durchzuleiten. Priorisierte Dienste dürfen die Funktionsfähigkeit des nach dem Best-Effort-Grundsatz funktionierenden Internets nicht einschränken.

 

4.   Die Landesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass im Sinne des globalen Charakters des Internets eine supra- oder internationale Verständigung zur Sicherung der Netzneutralität erreicht wird. Die zugrundeliegenden Beschlüsse der Europäischen Union müssen mit mehr Engagement vollzogen und in nationales Recht umgesetzt werden.

 

 

 

Norbert Römer                                                          Reiner Priggen

Marc Herter                                                               Sigrid Beer

Nadja Lüders                                                             Matthi Bolte

Alexander Vogt                                                        

 

und Fraktion                                                              und Fraktion

 

 

 

 


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