LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/2284 |
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12.03.2013 |
Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Abschaffung der Störerhaftung
I. Ausgangssituation
Das Teilen von Internetzugängen ist ein sozialpolitisch wirksames Instrument, auch Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen und wenig technischer Infrastruktur den Zugang zum Internet und damit der Partizipation an Prozessen (demokratische Teilhabe, zivilgesellschaftlicher Diskurs und lebenslanges Lernen), die heutzutage zu großen Teilen über das Internet abgewickelt werden, zu ermöglichen. Diesen Nutzern steht eine größere kulturelle Vielfalt und eine gesellschaftliche/berufliche Betätigung zur Verfügung bzw. eine erleichterte Arbeitssuche vielfach überhaupt erst durchführbar. In den aktuellen Regelsätzen der sozialen Sicherung ist keine ausreichende finanzielle Berücksichtigung eines Internetzugangs enthalten. Ein fehlender Internetzugang bei einkommensschwachen Familien wirkt sich für die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen stark benachteiligend aus. Nicht hinreichend verfügbare Internet-Zugänge verschärfen so die in Deutschland ohnehin weit über dem Durchschnitt vergleichbarer OECD-Staaten liegende Abhängigkeiten der individuellen Bildungschancen vom Bildungsgrad der Eltern.
Weiterhin würde die Abschaffung der Störerhaftung einen erweiterten wirtschaftlichen Faktor darstellen, da somit beispielsweise Cafés, Veranstaltungszentren, Jugendtreffs, Hotels und Co-Working-Spaces ihre Attraktivität verbessern könnten und eine umfangreichere Nutzung ihrer Angebote ermöglicht würde.
Es kann die Ausbausituation mit Internetversorgung in den Gebieten verbessern, in denen noch nicht flächendeckend ein breitbandiger Netzzugang zur Verfügung steht, da damit eine Anbindung in Bürgerhand kostenneutral für die öffentliche Hand und die Industrie ad hoc aufgebaut werden kann. Ein solches, lokales Netz kann die Identifikation der Bürger mit ihrer Gemeinde verbessern, stärkt das Verantwortungsbewusstsein und den Zusammenhalt.
WLAN-Zugänge stehen heute quasi flächendeckend in Deutschland zu Verfügung, die meisten finden sich in privater Hand. Die meisten dieser Zugänge sind mit einer Flatrate ausgestattet, so dass es für die Betreiber (Anschlussinhaber) keinen Unterschied macht, ob er nur alleine die vorhandene Bandbreite nutzt, oder ob er sie sich mit jemanden teilt. Technisch gesehen ist es kein Problem, einen solchen Zugang der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, ohne damit die Integrität und Sicherheit der eigenen Daten zu gefährden.
Zurzeit ist der Betrieb von geteilten Internetzugängen rechtlich problematisch. Eine verschuldensunabhängige Mitstörerhaftung des Betreibers eines Internetzugangs wird in der aktuellen Rechtsprechung deutscher Gerichte regelmäßig selbst dann angenommen, wenn er selbst keinen Einfluss auf die über den Zugang vermittelten Daten nehmen kann. Damit steht ein privater oder gewerblicher Betreiber eines geteilten Internetzugangs stets in der Verantwortung, für Rechtsverstöße von Mitnutzern zu haften, während hingegen ein Internet-Zugangsprovider für solche Verstöße erst ab Kenntnis haften muss. Betreiber von öffentlich geteilten Netzzugängen sind Providern gegenüber rechtlich deutlich benachteiligt.
Eine sichere Bereitstellung eines geteilten Internetzugangs ist nur dann möglich, wenn Betreiber solcher Zugänge keine unkalkulierbaren Haftungsrisiken eingehen müssen, sondern - analog den Providern - für Rechtsverstöße von Mitnutzern nicht ohne Kenntnis haften.
Den Betreibern eines solchen Zugangs kann auch nicht auferlegt werden, sämtliche Nutzerzu- und -abgänge zu protokollieren, da dies im öffentlichen Raum nicht realisierbar ist. Genausowenig kann eine Filterinfrastruktur angesetzt werden, da diese technisch unwirksam ist und die Vertraulichkeit der Kommunikation über diesen Zugang verletzen würde.
Aus Gründen der Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit sollten an Betreiber geteilter Internetzugänge keine höheren Anforderungen gestellt werden als an Zugangsprovider.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf
1.) sich auf Bundesebene für eine Änderung der WLAN-Betreiberhaftung einzusetzen, um mehr Rechtssicherheit für Betreiber zu schaffen:
2.) Hierzu auf eine Änderung des Telemediengesetzes (TMG) hinzuwirken um WLAN-Betreiber einem Access-Provider nach §8 TMG gleichzustellen,
3.) Im Urheberrecht auf Änderungen hinzuwirken, die klare Voraussetzungen für das Vorliegen von Störerhaftung schaffen, wobei nach Möglichkeit insbesondere nichtgewerbliche WLAN- Betreiber von einer entsprechenden Haftung freizustellen sind.
4.) Ferner bedarf es Regelungen, in denen die Anforderungen an die jeweils einzusetzenden Schutzmaßnahmen durch die Betreiber eindeutig definiert werden und sich an alltagstauglichen Kriterien orientieren.
Dr. Joachim Paul
Monika Pieper
Marc Olejak
und Fraktion