LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/10209 |
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12.11.2015 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 3959 vom 13. Oktober 2015
des Abgeordneten Ralf Witzel FDP
Bekämpfung der Herkulesstaude an Landesstraßen und Autobahnen der Stadt Essen
– Welche konkreten Aktivitäten unternimmt die Landesregierung, um Mensch und Tier vor dieser gefährlichen Giftpflanze zukünftig besser zu schützen?
Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage 3959 mit Schreiben vom 12. November 2015 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Vor einigen Jahren noch weitestgehend unbekannt, ist die Herkulesstaude, auch als Riesen-Bärenklau bekannt, inzwischen in aller Munde und wird zunehmend zum Ärgernis für immer mehr besorgte Bürger. Grund ist die massive, fast explosionsartige Ausbreitung der aus dem Kaukasus ursprünglich stammenden Giftpflanze, die in der Folge dazu führt, dass immer mehr Menschen und Tiere schlimme Verletzungen durch Berührungen bei Licht erleiden.
Im Pflanzensaft und den Drüsenhaaren der oftmals zwei bis vier Meter hoch werdenden Staudenpflanze sind Giftstoffe (Furucumarine) enthalten, die in Kombination mit Sonnenlicht bei direktem Hautkontakt zu erheblichen Verbrennungen führen. Aus Rötungen, Quaddeln und Hautverfärbungen entwickeln sich dann meist gravierende langwierige Hautverletzungen – ähnlich wie bei einem schweren Sonnenbrand.
Die Herkulesstaude vermehrt sich nicht über die Wurzeln, sondern über die große Anzahl von Samen. Ausgewachsene Pflanzen können 10.000 bis 50.000 schwimmfähige Samen bilden, die unter optimalen Bedingungen 8 bis 10 Jahre keimfähig sind. Ferner teilt die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in einem Informationsblatt zur Bekämpfung der Herkulesstaude im April 2012 mit, dass vor allem Gewässer mit ihren Überschwemmungsgebieten sowie Verkehrsanlagen (Verwirbelung entlang der Straßen und Gleise) die Hauptverbreitungswege bilden. Darüber hinaus würden die Samen über Erdbewegungen, Baumaßnahmen, Schälen von Straßenbanketten sowie über den Menschen (als Zierpflanze im Garten, wilde Komposthalden, Aussaat als Bienenweide) verbreitet.
Um die Ausbreitung der Herkulesstaude zu verhindern, muss bis zur stattfindenden Blüte Ende Juni bis August die Bekämpfung der Pflanze durch Abtrennen des Vegetationskegels, Entfernung der Blütenstände / Samenstände, Fräsen oder Pflügen, thermische Behandlung oder den Einsatz von Herbiziden erfolgen. Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen weist ausdrücklich darauf hin, dass Mähen – auch mehrfaches Mähen – keine geeignete Maßnahme zur Beseitigung ist. Unbedingt darauf zu achten ist, dass auch die Blütenstände, die zu diesem Zeitpunkt sichtbar sind, gesondert abgeschnitten und verbrannt werden.
Auch in der Stadt Essen ist die Problematik seit einigen Jahren immer wieder Thema am Rande etlicher Landesstraßen und Autobahnen, für deren Grünflächenpflege insbesondere der Landesbetrieb Straßen.NRW zuständig ist. In diesem Jahr hat sich das Vorkommen der Herkulesstaude an wichtigen Verkehrswegen der Stadt Essen im Zuständigkeitsgebiet des Landes erkennbar ausgedehnt.
An etlichen Abschnitten der A 52 im Essener Süden, aber auch am Rande der Autobahnen A 40 und A 42, der Bundesstraßen B 224 und B 227 sowie etlicher Landesstraßen vor allem in der Nähe zur Ruhr sind diese Neophyten verstärkt anzutreffen.
Im kommunalen Zuständigkeitsbereich versucht die Stadt im Rahmen ihrer Möglichkeiten, geeignete Gegenmaßnahmen gegen die invasiven Pflanzen zu ergreifen. Dabei kommen sogar Schafherden während der Vegetationszeit zum Einsatz, da die Herkulesstaude für Schafe ungefährlich ist und die Tiere insbesondere die jungen Triebe gern konsumieren.
Ziel einer wirksamen Bekämpfung muss die Verdrängung der Herkulesstaude sein. Denn neben den gesundheitlichen Risiken für Menschen und Tiere behindert die Pflanze durch ihre großen Blätter das Wachstum und die Entwicklung benachbarter Pflanzen. Zum Schutz von Menschen wie Tieren in Nordrhein-Westfalen ist es daher dringend geboten, Strategien zur Bekämpfung und Ausrottung der Herkulesstaude zu entwickeln. Hierzu bedürfen die Kommunen neben der eigenen Anstrengung auch Unterstützung seitens des Landes. Vor allem auch für Großstädte im RVR-Gebiet ist die Neophyteninvasion eine absolut relevante Herausforderung.
1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Verbreitung der Herkulesstaude auf Landesliegenschaften und am Rande der von Straßen.NRW betreuten Verkehrswege im Gebiet der Stadt Essen im Einzelnen vor?
Zur Verbreitung der Herkulesstaude auf Landesliegenschaften liegen der Landesregierung keine genauen Kenntnisse vor. Allerdings sind Probleme im Bereich von Landesliegenschaften (Wasserwirtschaft) zum Beispiel in der Ruhraue bekannt. Über die Verbreitung und die Bestandsentwicklung der Herkulesstaude an Straßenrändern speziell im Gebiet der Stadt Essen liegen der Landesregierung keine konkreten Daten vor. Allerdings gibt es nach Angaben des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) Anzeichen dafür, dass die Vorkommen an Straßenrändern allgemein im Land NRW in den letzten 10 Jahren abgenommen haben.
Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) führt keine statistische Erhebung über Quantität und Ausbreitungstendenzen der Herkulesstaude durch.
Auch dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) liegen für die von ihm verwalteten Landesliegenschaften im Gebiet der Stadt Essen keine Erkenntnisse zur Verbreitung der Herkulesstaude vor. Aktivitäten zur Eindämmung bzw. Beseitigung der Herkulesstaude im Jahr 2015 hat es daher im Gebiet der Stadt Essen seitens des BLB NRW für seine Liegenschaften nicht gegeben.
2. An namentlich welchen Landesliegenschaften und von Straßen.NRW mit der Grünpflege betreuten Verkehrswegen hat es im laufenden Jahr 2015 Aktivitäten zur Eindämmung bzw. Beseitigung der Herkulesstaude gegeben?
Im nahezu gesamten Streckennetz sind im Rahmen des Straßenbetriebsdienstes durch Straßen.NRW Einzelmaßnahmen gegen die Herkulesstaude in unterschiedlicher Intensität durchgeführt worden. Straßen.NRW verfasst keine Zusammenstellung/Auswertung zu betroffenen Streckenabschnitten und Einzelvorkommen.
Über die auf das Gebiet Essen bezogene Frage 1 hinaus, ist eine BLB-weite liegenschaftsbezogene Erhebung der Aktivitäten zur Eindämmung bzw. Beseitigung der Herkulesstaude - angesichts von rund 4.600 bewirtschafteten Gebäuden und den vordringlichen Aufgabenstellungen des BLB NRW im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung - in der Kürze der für die Beantwortung der kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
3. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung, bitte unter Angabe der jeweiligen Maßnahmen, um die Verbreitung der Herkulesstaude gerade auch in den Großstädten des Ruhrgebietes zu stoppen?
Die Erkenntnisse über die Invasivität der Herkulesstaude und entsprechende rechtliche Regelungen zum Schutz der biologischen Vielfalt vor invasiven Arten kamen zu spät für eine frühzeitige Begrenzung der Ausbreitung bzw. Tilgung der Herkulesstaude. Bereits in den 1980er Jahren begann die Herkulesstaude, sich am Ruhrgebietsrand, im nördlichen Sauerland und im Bergischen Land verstärkt auszubreiten. Inzwischen ist die Herkulesstaude in Nordrhein-Westfalen und damit auch in den Großstädten des Ruhrgebiets sehr weit verbreitet, so dass die vollständige Tilgung als Bekämpfungsziel nicht realistisch ist. Insbesondere die Eigenschaft der Art, sich gewässerabwärts entlang von Flussufern auszubreiten, steht einer vollständigen Ausrottung entgegen, da es nicht gelingen wird, jede einzelne Pflanze im Uferbereich zu tilgen oder am Blühen und Fruchten zu hindern. Eine lokale Bekämpfung zum Schutz der heimischen Natur nach §40 BNatSchG wird vom Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz insbesondere zum Schutz lokaler Populationen gefährdeter Arten sowie in Naturschutzgebieten empfohlen.
Darüber hinaus muss die Herkulesstaude wegen ihres gesundheitsgefährdenden Potentials u.a. an Radwegen, Wanderwegen, in städtischen Grünanlagen, an Kanu-Anlandungsstellen, in der Nähe von Kindergärten und Schulen aus Gründen der Gesundheitsvorsorge bekämpft werden. Grundlage hierfür ist das Ordnungsrecht.
Kommunen, die aus Kostengründen eine sehr weitgehende Zurückdrängung der Herkulesstaude anstreben, wird empfohlen, zunächst die Bestände im Gelände zu kartieren und eine Ressourcen- und Einsatzplanung über ca. sechs Jahre zu veranschlagen. Danach, so konnte an Einzelbeispielen gezeigt werden, sinkt der Mitteleinsatz dergestalt, dass die laufenden Kontrollen mit deutlich verringerten Mitteln zu bewältigen sind.
Für das Stadtgebiet Essen führt an den regionalen bzw. übergeordneten Radwanderwegen sowie an Waldwegen im Bereich des stadteigenen Waldes die städtische Forstabteilung bei „Grün und Gruga“ Bekämpfungsmaßnahmen durch. Diese erfolgen als Beweidung mit Schafen oder durch Mähen der Bestände. Soweit sich entsprechende Herkulesstauden-Bestände auf Verkehrsflächen des Landes fortsetzen, teilt „Grün und Gruga“ den betreffenden Dienststellen des Landes dieses mit.
Für das in Essen gelegene Natura 2000-Gebiet „Heisinger Ruhraue“ existiert ein Maßnahmenplan, der auch Maßnahmen zur Neophyteneindämmung umfasst; dieses betrifft auch die Herkulesstaude. Diese naturschutzfachlich angelegte Planung wird zukünftig im Rahmen der vorhandenen Ressourcen durch die Stadt Essen umgesetzt.
Straßen.NRW bekämpft die Herkulesstaude im Rahmen seiner originären Aufgaben aus Gründen der Verkehrssicherheit und zum Schutz seiner Mitarbeiter.
4. Welche finanziellen Mittel sind jeweils jährlich in den zurückliegenden fünf Jahren für Maßnahmen gegen die Ausbreitung dieser Pflanze konkret im Gebiet der Stadt Essen bzw. der RVR-Region insgesamt seitens des Landes aufgewendet worden?
Der Stadt Essen wurden durch die Bezirksregierung Düsseldorf in den Jahren 2010 bis 2015 keine finanziellen Mittel aus dem Naturschutzhaushalt des Landes (ELER, FöNa) für Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Herkulesstaude zugewiesen.
RVR-Region: Dem Kreis Recklinghausen wurden durch die Bezirksregierung Münster in den Jahren 2010 bis 2015 insgesamt 20.231,82 Euro aus dem Naturschutzhaushalt des Landes (ELER, FöNa) für Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Herkulesstaude zugewiesen. Die Zahlen für die einzelnen Jahre ergeben sich aus folgender Tabelle:
Jahr |
Gesamtausgaben |
Zuwendung |
Eigenanteil |
2010 |
2.661,00 € |
2.128,80 € |
532,20 € |
2011 |
3.800,00 € |
3.040,00 € |
760,00 € |
2012 |
8.133,65 € |
6.506,92 € |
1.626,73 € |
2013 |
2.975,00 € |
2.380,00 € |
595,00 € |
2014 |
3.629,50 € |
2.588,25 € |
1.041,25 € |
2015 |
5.057,50 € |
3.587,85 € |
1.469,65 € |
Summe |
26.256,65 € |
20.231,82 € |
6.024,83 € |
Weiterhin wurde im Jahr 2015 der Stadt Hamm durch die Bezirksregierung Arnsberg zur Bekämpfung der Herkulesstaude ein Betrag in Höhe von 455,- € bewilligt. Abgerufen wurden diese Mittel bislang nicht. Für die Jahre 2010 bis 2014 erfolgten keine Zuweisungen an die Stadt Hamm aus dem Naturschutzhaushalt des Landes für Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Herkulesstaude.
Für die übrigen Kreise und Kreisfreien Städte der RVR-Region erfolgten 2010 bis 2015 keine Zuweisungen aus dem Naturschutzhaushalt des Landes für Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Herkulesstaude.
Straßen.NRW führt die Bekämpfung der Herkulesstaude im Rahmen des Straßenbetriebsdienstes durch, hierzu liegen keine gesonderten Zahlen vor.
In den Regionen Duisburg, Oberhausen, Mülheim und Essen wurden durch Straßen.NRW in den vergangenen fünf Jahren insgesamt schätzungsweise 45.000 € für die Bekämpfung von Neophyten aufgewandt.
5. Mit welchem Erfolg ist mit Landesmitteln bislang gegen die Verbreitung der Neophyten im Gebiet der Stadt Essen vorgegangen worden?
Im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Düsseldorf (Höhere Landschaftsbehörde) ist bisher nicht mit Landesmitteln aus dem Naturschutzhaushalt gegen die Verbreitung der Neophyten im Gebiet der Stadt Essen vorgegangen worden.
Da Straßen.NRW keine statistischen Erhebungen zur Bekämpfung der Herkulesstaude durchführt, kann lediglich festgehalten werden, dass isolierte Vorkommen in vielen Fällen deutlich reduziert oder in Gänze beseitigt werden konnten.